Farbe Weiß

Die Weißen waren immer etwas ganz Besonderes. Schon in der Sagenwelt begegnen wir ihnen: 2 weiße Katzen ziehen den Wagen der Göttin Freyja....


In ihrer Heimat Maine waren sie bereits sehr früh bekannt und beliebt. Schon Mrs. Pierce, eine Katzenliebhaberin aus Maine, die in "The Book of the Cat" - (in England 1903 erschienen ) als erste über die Rasse schrieb, erwähnt weiße Maine Coons. Sie erinnert sich noch genau an das Jahr 1869, als sie als junges Mädchen das erste Mal zwei weiße, blauäugige Maine Coon - Kitten sah, die aus der Tasche eines Segelmachers herausguckten. Später besaß Mrs. Pierce selbst einen weißen Nachkommen dieser Kitten. Weiße Katzen gelten als Glückskatzen und Glück hatten die Seefahrer ja immer gebraucht. So waren die weißen Maine Coons wahrscheinlich von Seefahrern ins Land gebracht worden.

Auch Ethelyn Whittemore, wohl jedem als ganz "frühe" Maine Coon - Foundationzüchterin bekannt, erzählt von einem weißen Maine Coon Kater:

"Eine meiner frühen Coon Katzen war Major Sno Boy, ein schöner, weißer, odd-eyed, tauber Kater; er war so tüchtig! Menschenmengen störten ihn nicht - wegen seiner Taubheit. Er liebte es, sich zu präsentieren - Purzelbäume machen, apportieren, Pfote geben, auf Kommando auf den Hinterbeinen aufrichten... -. Er gewann Rosetten und Pokale. Von klein auf lehrte ich ihn, auf Fußstampfen zu achten. Er fühlte die Erschütterung und wurde aufmerksam. Er wurde 21 Jahre alt. Major war an die Leine gewöhnt und lief neben mir her. Es gab nichts Vergleichbares zu einer Fahrt in meinem Kabriolett mit herunter geklapptem Dach. Wo immer er hinkam, drehten sich viele Köpfe nach ihm um." So viel zur Geschichte.


Für die weiße Fell-"farbe" unserer weißen Maine-Coons ist ein bestimmtes Gen verantwortlich, das Weiß-Gen (W).

Nach jetzigem Wissensstand handelt es sich beim W-Gen um ein autosomales (geschlechtsunabhängiges) Gen, das dominant vererbt wird. Es wirkt epistatisch, das heißt, es überdeckt alle anderen Fellfarben. Es ist außerdem pleiotrop, führt daher nicht nur zu einem weißen Fell, sondern kann bei den Tieren, die dieses Gen tragen, auch die Augen und das Gehör beeinflussen. Es zeigt 100 %ige Penetranz für das weiße Fell, ist aber unvollständig penetrant was Augen und Gehör betrifft. Das heißt, es bewirkt immer die weiße Fellfarbe, Hör- oder Sehstörungen können aber ganz verschieden stark ausgeprägt sein oder auch gar nicht in Erscheinung treten.


Man nimmt an, daß durch das W-Gen  im frühen Embryonalstadium, bei der Entwicklung des Neuralrohres, keine oder zu wenig Melanoblasten (pigmentbildende Zellen) gebildet werden, bzw., daß sie - und dazu noch bestimmte Neuroblasten - an der "Auswanderung" gehindert werden.


In Bereichen, die mittelbar oder unmittelbar mit dem Zentralnervensysem zusammenhängen (Auge, Ohr), wo diese Zellen nur einen kurzen Weg zurückzulegen haben, findet sich meist noch eine mehr oder weniger ausreichende Anzahl funktionierender Melanoblasten und Neuroblasten. Die Sinnesorgane sind daher meist nicht oder nur teilweise beeinträchtigt. Bis zur Körperoberfläche dagegen gelangen keine pigmentbildenden Zellen mehr. Die weiße Fellfarbe tritt daher immer in Erscheinung.


Für den "Grad der Ausprägung", ob nur die weiße Fellfarbe in Erscheinung tritt, oder ob es auch zur Taubheit kommt, sind wahrcheinlich weitere Gene oder Stoffe.... verantwortlich, die das W-Gen entweder in seiner Auswirkung behindern oder verstärken. Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich kann diese Gene oder Stoffe aber auch ein farbiger Partner tragen und weitergeben.


Bei reinerbig weißen Katzen treten Defekte wahrscheinlich häufiger auf als bei mischerbigen. Es soll darum nie Weiß mit Weiß verpaart werden. Auch weiße Vorfahren beim farbigen Partner können die Wahrscheinlichkeit, daß ein Defekt auftritt, erhöhen. Ob auch die Farbe des "bunten" Partners eine Rolle spielt, darüber gibt es verschiedene Theorien, die einander aber zum Teil widersprechen. Echte Erfahrungswerte gibt es nicht.


Es wurde auch überlegt, ob Weiß mit Weißscheckung verpaart ebenfalls einen Risikofaktor darstellen könnte.Es ist aber eher unwahrscheinlich. Der Weißscheckung liegt zwar ein ähnlicher Entstehungsmechanismus zugrunde wie dem reinen Weiß, sie wird aber durch ein anderes Gen (S) hervorgerufen, ebenso wie das Albino-Weiß (ca,c).

 

Die Taubheit beruht auf einer Degeneration der Strukur des Innenohr. Das Innenohr wird wegen seines komplizierten Kanalsystems auch Labyrinth genannt, und der Knochen, in den das Labyrinth eingelassen ist, wird als knöchernes Labyrinth bezeichnet. Zum knöchernen Labyrinth gehören die Schnecke (Cochlea), in die das eigentliche Hörorgan,  das Corti-Organ oder Spiralorgan, eingelassen ist. Hier werden die verschiedenen Frequenzen der Töne auseinandersortiert. Haarzellen überführen die mechanischen Tonvibrationen in elektrische Impulse, die dann durch den Hörnerv dem Gehirnstamm zugeführt werden. Hier kommen die Melanozyten mit ins Spiel. Fehlen sie, treten nach zunächst ungestörter Entwicklung ab dem 5. Lebenstag degenerative Veränderungen auf.


Sehproblemen kommt neben der Taubheit eine geringere Bedeutung zu. Sie betreffen vor allem die blauäugigen Weißen, wo durch das Fehlen des Tapetum lucidum (der das einfallende Licht reflektierenden Schicht unter der Netzhaut) die Sehschärfe, und ganz besonders das Sehen in der Dämmerung, in Mitleidenschaft gezogen ist. Durch die geringere Lichtempfindlichkeit sind die Pupillen immer stärker geöffnet, eine Wirkung wie beim Fotoapparat bei weit geöffneter Blende. Das bedeutet eine schwere Behinderung beim Beutefang, ist für Wohnungskatzen aber von geringerer Bedeutung.


In ROBINSON'S "Genetics for Cat Breeders & Veterinarians" FOURTH EDITION wird auch in Bezug auf die Taubheit ein Zusammenhang mit der Augenfarbe vermutet, daß blauäuige Weiße zu einem wesentlich höheren Prozentsatz Taubheit aufweisen als Tiere mit goldenen oder grünen Augen. Bei „Odd eyed", solchen mit einem blauen und einem goldenen oder grünen Auge, hat eine Studie herausgefunden, daß jene "odd eyed" Katzen, die taub waren, auf der Seite taub waren, wo sie das blaue Auge hatten. Zu all dem gibt es allerdings inzwischen auch gegenteilige Erfahrungen.


Wer beim Lesen bis jetzt durchgehalten hat, dem wird klar sein, daß Weißzucht keine einfache Sache ist. Sie verlangt genaues Stammbaumstudium und genetisches Wissen. Jeder, der mit Weißzucht beginnt, sollte auch wissen und bedenken, daß man nie sicher davor ist, irgendwann einmal ein taubes Kitten zu bekommen, vielleicht sogar einen tauben Wurf. Auch für diese Kitten muß gesorgt werden. Durch die Art der Vererbung kann es immer wieder vorkommen, daß nach Generationen von Hörenden wieder einmal irgendwo ein taubes Tier geboren wird, jedenfalls so lange, bis es einen entsprechenden Gentest gibt. Viel Verantwortungsbewußtsein ist hier gefragt, denn obwohl wir aus vielen Beispielen wissen, daß auch taube Tiere, soweit sie in einem behüteten Bereich leben, unbeschwert und glücklich sein können, muß bedingunglos alles getan werden, was zur Eliminierung des Defektes hilfreich sein kann.


Wie wir mit den Weißen begonnen haben - unsere ersten weißen Babies wurden 1995 geboren - sah man weiße Coonies ganz selten. In Österreich waren wir jahrelang die einzigen Weißzüchter. Inzwischen hat sich allerdings einiges geändert. Immer mehr Züchter beschäftigen sich mit dieser Farbe; mit ein Grund, sich hier ausführlicher mit der Problematik zu beschäftigen.

Zum verantwortungsvollen Umgang mit der Weißzucht gehört vor allem das Vermeiden von riskanten Verpaarungen. Daß taube Tiere nicht in die Zucht gehören ist selbstverständlich. Dasselbe gilt aber auch für hörende Weiße, bei deren Vorfahren und Verwandten gehäuft taube Kitten gefallen sind. Leider hat man lange Zeit der Taubheit keine oder nur wenig Bedeutung zugemessen, obwohl sie bereits vor 150 Jahren erwähnt wurde und die unterschiedlichsten Katzenrassen betrifft.


Heute haben wir die Möglichkeit, jedes Tier genau auf seine Hörfähigkeit zu untersuchen. Vollständige Taubheit kann meist bereits durch eine Verhaltungsuntersuchung festgestellt werden. Eine sichere und objektive Meßmethode, mit deren Hilfe auch einseitige Taubheit oder Schwerhörigkeit festgestellt werden kann, ist die Messung von akustisch evozierten Potentialen. Dabei werden durch Schallreize ausgelöste und infolge der auditorischen Reizverarbeitung und Reizwahrnehmung entstehende elektische Spannungen gemessen, die an der Kopfoberfläche registriert werden können.


Die Audiometrische Untersuchung (Hirnstammaudiometrie) wird in der Regel unter einer leichten Sedierung durchgeführt.  Die Tiere sollten gesund und in einem guten Ernährungszustand sein (Vit-BMangel kann z. B. durch seinen Einfluß auf das Nervensystem das Untersuchungsergebnis beeinflußen, ebenso Infektionen, z. B. FIV)


Zum Zeitpunkt der Geburt ist das Gehör der Katze noch unausgereift. Katzenwelpen werden mit geschlossenem Ohrkanal geboren. Erst am 5. Lebenstag öffnet sich der äußere Gehgörgang. Akustische Reize können frühestesns am 7. Lebenstag aufgenommen werden, allerdings ist zu diesem Zeitpunkt auf Grund der unreifen Gehörklnöchelchen und des wenig elastischen Trommelfells die Hörschwelle noch extrem hoch. Auch der Frequenzbereich ist noch sehr eingeschränkt. Im Alter von acht Wochen ist die Hörbahn der Katze fast vollständig ausgereift. Ab diesem Zeitpunkt kann die die Hirnstromaudiometrie routinemäßig eingesetzt werden.